Corona-Virus und Arbeitnehmer
Aufgrund der derzeitigen Situation rund um das Corona-Virus möchten wir kurz die rechtlichen Rahmenbedingungen im Fall der Erkrankung von Mitarbeitern eines Unternehmens im Zusammenhang mit dem Corona-Virus als auch im Zusammenhang mit einer gegebenenfalls angeordnete Quarantäne zusammenfassend erläutern:
1) Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz
Grundsätzlich handelt es sich aus arbeitsrechtlicher Sicht bei einem Krankheitsfall im Zusammenhang mit dem Corona-Virus um eine Krankheit und Arbeitsunfähigkeit die sich nach den Regeln des Entgeltfortzahlungsgesetzes bestimmt.
Insoweit bestehen keine Besonderheiten.
2) Sonderfall der Quarantäne durch Behörden
Eine besondere Regelung enthält das Infektionsschutzgesetz (IfSG) für den Fall einer Epidemie oder Pandemie.
Nach § 30 IfSG können die zuständigen Behörden anordnen, dass bestimmte Personen bei einem bestehenden Krankheitsverdacht unter Quarantäne gestellt werden. Der Arbeitgeber hat in einem solchen Fall gemäß § 56 IfSG den Verdienstausfall für die Dauer von maximal 6 Wochen zu zahlen, kann sich jedoch unter den in § 56 IfSG geregelten Bedingungen die ausgezahlten Beträge bei der zuständigen Behörde erstatten lassen.
In Fällen einer Verlängerung der Quarantäne durch eine Behörde bleibt der Arbeitgeber Entgeltfortzahlungspflichtig. Hier fügen wir die Links zum Gesetzestext des § 56 IfSG „Entschädigung“ (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__56.html) und des § 57 IfSG “Verhältnis zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung“ ein (https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__57.html).
Wie Sie § 56 Abs. 2 IfSG entnehmen können, bemisst sich die Entschädigung nach dem Verdienstausfall. Für die ersten 6 Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt. Von Beginn der 7 Woche an wird sie in Höhe des Krankengeldes nach § 47 Abs. 1 SGB V gewährt, soweit der Verdienstausfall für die gesetzliche Krankenversicherungspflicht maßgebende Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht übersteigt.
Gemäß § 56 Abs. 5 IfSG hat bei Arbeitnehmern der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für 6 Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde aus-zuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag erstattet.
Die entsprechenden Antragsmuster sind im Internet abrufbar (Antrag auf Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen nach §§ 56 und 57 IfSG).
3) Auswirkungen auf das Direktionsrecht in Notfällen
Im Fall von Ausnahmesituationen durch eine starke Zahl von Krankheitsfällen von Arbeitnehmern stellt sich auch die Frage des Umfangs des Direktionsrechtes.
Das Direktionsrecht bzw. Weisungsrecht, welches das Recht des Arbeitgebers beschreibt, die Leistungspflicht des Arbeitnehmers zu konkretisieren, betrifft gemäß § 106 GewO die Ausgestaltung der Arbeitspflicht im Hinblick auf Zeit, Ort und Inhalt sowie Art und Weise.
Das Bundesarbeitsgericht hat in mehreren Entscheidungen entschieden, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in Ausnahmefällen und Notsituationen auch ohne dessen Einverständnis vertraglich nicht geschuldete und insbesondere auch geringwertige Tätigkeiten zuweisen kann (vgl. z.B. BAG; 03.12.1980, Az.: 5 AZR 477/78).
D.h., dass der Arbeitgeber auch im Fall einer Epidemie oder Pandemie grundsätzlich berechtigt ist, die ansonsten bestehenden Grenzen des Direktionsrechtes zu überschreiten und den Arbeitnehmern auch Arbeitspflichten aufzuerlegen, die grundsätzlich gemäß dem Arbeitsvertrag und der kollektiv-arbeitsrechtlichen Vereinbarungen und Bedingungen nicht geschuldet sind. Entsprechende höchstrichterliche Rechtsprechung liegt mangels vergleichbarer Ereignisse in der Vergangenheit nicht vor.
Allgemein wird heute die Auffassung vertreten, dass eine Pandemie als ein solcher Notfall verstanden werden dürfte, der den Arbeitgeber berechtigt, das an sich bestehende Direktionsrecht zu überschreiten.
Anders als bei nur kurzfristig auftretenden Notfällen dürfte im Fall einer Pandemie auch eine mehrwöchige oder gar mehrmonatige Überschreitung des Direktionsrechtes in Rahmen von Noteinsätzen der Arbeitnehmer denkbar sein.
Die Grenzen des Direktionsrechtes in einem solchen Fall dürften sich an der bisherigen Rechtsprechung zu Notfällen orientieren, d.h. die zugewiesene Arbeit muss für den Arbeitnehmer konkret zumutbar sein. Generell unzumutbar dürften daher Einsätze sein, die zu einer Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers führen. In Notfällen sind insoweit zunächst mit einer Gesundheitsgefährdung verbundene Tätigkeiten durch die Mitarbeiter auszuführen, die gemäß ihrem Arbeitsvertrag vergleichbare Tätigkeiten bereits zuvor schulden.
Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass bei einem Konzern auch ein unternehmensübergreifender Einsatz von Arbeitnehmern im Konzern aufgrund eines erweiterten Direktionsrechts in Notfällen möglich sein dürfte. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass sich die Tätigkeit nicht inhaltlich ändert, sondern diese nur bei einem anderen Betrieb im Konzern an einem anderen Ort erbracht werden muss.
Ein Leistungsverweigerungsrecht dürfte nur bei Unzumutbarkeit für den oder die Arbeitnehmer bestehen.
4) Recht zur Anordnung von Homeoffice
Soweit Ihre Mitarbeiter in ihren Arbeitsverträgen eine Regelung zur Arbeit im Homeoffice haben, können Arbeitgeber Homeoffice anweisen.
Beinhaltet der Arbeitsvertrag keine Regelung hinsichtlich der Anordnung von Homeoffice, ist eine solche Anordnung nur möglich, wenn der Arbeitnehmer im konkreten Fall damit einverstanden ist.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Ziffer 3) kann es nach unserer Ansicht im Einzelfall zum Schutze der Mitarbeiter und zur Aufrechterhaltung des Betriebes möglich sein, den Arbeitnehmer ohne vertragliche Regelung bzw. ohne sein Einverständnis zur Arbeit im Homeoffice zu zwingen.
Bei der Anordnung von Arbeit im Homeoffice ist der Grundsatz zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber die Kosten für die Arbeitsmittel, wenn nichts anderweitiges vereinbart wurde, zu tragen hat.
Im Falle einer arbeitsunfähigen Erkrankung des Arbeitnehmers ist dieser natürlich von der Arbeitspflicht im Homeoffice befreit. Wird der Arbeitnehmer jedoch lediglich zu präventiven Zwecken, ohne selbst erkrankt zu sein, durch den Arbeitgeber in häusliche Quarantäne geschickt, entfällt die Arbeitspflicht hingegen grundsätzlich nicht.
Hingegen bei behördlich angeordneter Quarantäne besteht keine Arbeitspflicht. Hier erfolgt, wie oben unter Ziffer 2) ausgeführt, über das Infektionsschutzgesetz eine Entschädigung des Arbeitsausfalls.
5) Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Aus der in § 618 BGB geregelten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergibt sich, dass dieser verpflichtet ist, zumutbare Schutzvorkehrungen zu treffen.
Eine absolute Schutzpflicht des Arbeitgebers ist daraus nicht abzuleiten. Der Arbeitnehmer muss demnach ein gewisses Risiko hinnehmen, das sich nicht vermeiden lässt.
Der Arbeitgeber hat jedoch die Arbeit so zu gestalten, dass eine Gefährdung für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer möglichst gering bleibt. Welche Maßnahmen konkret zu ergreifen sind, bestimmt sich nach dem Einzelfall und hängt vom Grad der Gefährdung ab.
Solange keine konkrete Gefährdung bekannt ist, reichen auch allgemeine Informationen zur Erkrankung und diesbezügliche Maßnahmen zur Prävention, während bei einer konkreten Gefahr (z.B. infizierte Mitarbeiter oder Verdachtsfälle) konkrete Schutzmaßnahmen nötig werden. Der Arbeitgeber kann sich bei konkreten Schutzmaßnahmen nicht auf unverhältnismäßige Kosten berufen, da die Kosten für Schutzmaßnahmen, insbesondere zur Vermeidung von Gefahren für Leben und Gesundheit, kein Unzumutbarkeitskriterium darstellen.
Erfüllt ein Arbeitgeber seine Fürsorgepflichten nicht, kann dem Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zustehen. Das Leistungsverweigerungsrecht steht dem Arbeitnehmer jedoch nur zu, wenn es zur Fürsorgepflichtverletzung im Verhältnis steht. Fehlt es beispielsweise lediglich an einer allgemeinen Information, wäre ein Leistungsverweigerungsrecht überzogen.
Darüber hinaus können sich Arbeitgeber in Extremfällen schadensersatzpflichtig machen, wenn sie ihren Informations- und Schutzpflichten nicht nachkommen und dadurch Schäden bei ihren Mitarbeitern entstehen.
6) Vorkehrung bei Rückkehr von Arbeitnehmern aus dem Ausland
Soweit Mitarbeiter aus einem Auslandsurlaub oder Auslandsdienstreise zurückkehren, sollte der Arbeitgeber zunächst feststellen, ob der Arbeitnehmer aus einem aktuell als Risikogebiet einzuordnenden Land zurückkehrt.
In Zweifelsfällen sollte der rückkehrende Mitarbeiter zunächst freigestellt werden und / oder ein ärztliches Attest verlangt werden, aus dem sich ergibt, dass keine entsprechende Erkrankung vorliegt. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, nicht zuletzt im Hinblick auf die Belegschaft, aber auch Kunden, gebietet es in jedem Fall, mögliche Ansteckungen durch Aufklärungsmaßnahmen und weitere Vorsichtsmaßnahmen zu verhindern.
7) Recht von Arbeitnehmern, die Leistung zu verweigern
Es gehört zu dem allgemeinen Lebensrisiko, auf der Wegstrecke zum Arbeitsplatz oder durch Kontakt zu Kollegen oder Kunden einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt zu sein. Dieses Lebensrisiko trägt nicht der Arbeitgeber. Ein Leistungsverweigerungsrecht in den Fällen einer Pandemie ist daher zu verneinen.
Hieraus folgt auch, dass kein Mitarbeiter das Recht auf Freistellung für den Fall einer Pandemie hat. Der Arbeitnehmer ist daher zur Arbeitsleistung weiterhin verpflichtet.
8) Recht des Arbeitgebers, einen Arbeitnehmer ohne Entgelt freizustellen bzw. Entgeltfortzahlung zu verweigern
Für den Fall, dass ein Arbeitnehmer ankündigt, in ein Quarantänegebiet zu reisen oder, dass der Arbeitgeber hiervon erfährt, könnte in Betracht kommen, dem Arbeitnehmer eine solche Reise zu verweigern bzw. ihn nach der Rückkehr unbezahlt freizustellen. Eine solche Fallkonstellation wurde unseres Wissens zwar bisher noch nicht entschieden. Eine Zusammen-schau verschiedener Normen, die dem Interesse des Arbeitgebers bzw. der übrigen Belegschaft dienen, spricht unseres Erachtens jedoch dafür, dass eine entsprechende Arbeitsanweisung bzw. eine unbezahlte Freistellung möglich sein dürfte. Nach § 15 Abs. 1 ArbSchG sollen Beschäftigte bei der Arbeit für ihre Sicherheit und Gesundheit gemäß der Unterweisung und Weisung des Arbeitgebers Sorge tragen. Die Beschäftigten sollen dabei auch die Sicherheit und Gesundheit der Personen beachten, die von den Handlungen und Unterlassungen der Beschäftigten bei der Arbeit betroffen sind.
Nach § 3 Abs 1 Satz 1 EntgFG hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er seine Arbeitsunfähigkeit verschuldet hat. Als Verschulden wird im Entgeltfortzahlungsrecht ein Verhalten angesehen, wenn es sich um einen groben Verstoß gegen das eigene Interesse eines verständigen Menschen handelt. Leichtsinniges Verhalten erfülle den Tatbestand nicht, sondern nur ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten.
Dies zusammengenommen, spricht nach unserer Meinung dafür, dass es eine Nebenpflicht bzw. Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und auch seinen Arbeitskollegen gibt, nicht sehenden Auges in Quarantänegebiete oder (Hoch-) Risikogebiete zu reisen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Corona-Virus sehr neu und hochansteckend ist, es kein Impfmittel dagegen gibt und der Krankheitsverlauf tödlich sein kann.
Nach unserer Ansicht dürfte jedenfalls auch eine Neben- bzw. Treuepflicht des Arbeitnehmers bestehen, den Arbeitgeber und die Kollegen darüber zu informieren, ob er oder Kontaktpersonen von ihm in einem Risikogebiet waren oder sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit angesteckt haben.
Nur anklingen lassen wollen wir an dieser Stelle, dass ein solches Verhalten eines Arbeitnehmers möglicherweise sogar eine strafrechtliche Komponente aufweisen könnte.
Den Arbeitgeber wiederum könnte eine Pflicht gegenüber der übrigen Belegschaft treffen, den Arbeitnehmer einstweilen nicht in die Betriebs- und Geschäftsräume und ihn nicht arbeiten zu lassen und von ihm zu verlangen, sich einem Test auf die Ansteckung mit dem Corona-Virus zu unterziehen. Den Arbeitnehmer wiederum dürfte eine Pflicht treffen, sich von seiner Arbeitsstelle fernzuhalten und sich einem Test zu unterziehen.
Nur am Rande soll noch erwähnt werden, dass es nicht ausgeschlossen erscheint, dass den Arbeitnehmer – möglicherweise aber auch den Arbeitgeber – eine Schadensersatzpflicht treffen könnte, wenn Schutz- oder Sorgfaltspflichten nicht eingehalten worden sein sollten und das Unternehmen und / oder die übrige Belegschaft Schäden erleiden sollten.
9) Weiteres Vorgehen
Soweit Sie weitere konkrete Fragen im Zusammenhang mit den arbeitsrechtlichen Auswirkungen der aktuell zu verzeichnenden Epidemie bzw. auch teilweise bereits als Pandemie bezeichneten Corona-Erkrankung haben, stehen wir Ihnen jederzeit persönlich und telefonisch zur Verfügung.
Soweit Sie erwägen, ein Merkblatt / eine Arbeitsanweisung an die Mitarbeiter herauszugeben, sind wir Ihnen hierbei sehr gerne behilflich.