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Änderungen im Bereich Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz

Im Anschluss an unseren Newsletter Nr. 9 vom 28.12.2020, in dem wir die inhaltlich und zeitlich sehr beschränkte Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht angesprochen hatten, möchten wir Ihnen nachstehend die sehr weit gehenden Neuerungen und Änderungen im Bereich der Sanierung und Restrukturierung und des Insolvenzrechts skizzieren.
Der Bundestag hat am 22.12.2020 das sehr umfangreiche „Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts“ (SanInsFOG) mit dem darin enthaltenen Artikel 1, „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“ (StaRUG) sowie neben dem SanInsFOG das „Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht“ beschlossen. Mit diesen Gesetzen werden eine Vielzahl an großen und kleinen Neuerungen und Änderungen vorgenommen. Von diesen greifen wir nachstehend vier uns wesentlich er-scheinende Neuerungen bzw. Änderungen heraus.

 

1) Artikel 10 SanInsFOG: „Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes“ (CovInsAG)

In dem CovInsAG vom Beginn der Corona-Pandemie wurden verschiedene Erleichterungen beschlossen, damit Unternehmen nicht „unnötig“ wegen der Corona-Pandemie in die Insolvenz gehen müssen. Ein wesentliches Element war, dass die strafbewehrte Pflicht von Unternehmenslenkern, einen Insolvenzantrag zu stellen, wenn das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist, zeitlich begrenzt ausgesetzt wurde.
Vom 01.10. bis 31.12.2020 war diese Pflicht dann nur noch ausgesetzt, wenn das Unternehmen überschuldet war; wenn es zahlungsunfähig war, musste bereits ab dem 01.10.2020 wieder ein Insolvenzantrag gestellt werden.

Durch eine neue, ergänzende Regelung muss ein Geschäftsleiter eines Unternehmens im Januar 2021 keinen Insolvenzantrag stellen, wenn das Unternehmen im Zeitraum vom 01.11.2020 bis zum 31.12.2020 Corona-Hilfen beantragt hat und dies nicht offensichtlich aussichtslos oder unzureichend ist.

Alle anderen Unternehmen, die der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO unterliegen, müssen wie vor der Corona-Pandemie einen Antrag stellen, wenn sie zahlungsunfähig oder über-schuldet sind.

 

2) Artikel 1 SanInsFOG: Neues Gesetz: „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“ (StaRUG)

Mit dem StaRUG gibt es in Deutschland nun ein großes neues Gesetz, das wie ein Geschwister neben der Insolvenzordnung (InsO) steht. Ausgangspunkt sind jahrzehntelange Vorüberlegungen und die EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz vom 20.06.2019. Mit dem StaRUG gibt es nun für Unternehmen eine gesetzliche Möglichkeit, ohne ein Insolvenzverfahren eine Sanierung und Restrukturierung durchzuführen. In den Jahrzehnten der Vorüberlegung wurde diesbezüglich häufig referiert auf das sog. „Chapter 11-Verfahren“, ein Sanierungs- und Reorganisationsverfahren für US-Unternehmen im Insolvenzrechtsgesetz der USA.

Das StaRUG umfasst 102 Paragraphen. Eine Sanierung, Stabilisierung und Restrukturierung ist möglich für Unternehmen, die noch nicht zahlungsunfähig oder überschuldet sind (sonst würde die Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO greifen). Im Wesentlichen geht es um Unternehmen, die drohend zahlungsunfähig sind. Ganz zentrales Element für die außerinsolvenzliche Sanierung ist der sog. Restrukturierungsplan. Dieser ist angelehnt an den in der InsO geregelten Insolvenzplan. Wie mit letzterem kann auch mit dem Restrukturierungsplan eine mehr oder minder zwangsweise Einigung mit den Gläubigern des Unternehmens erreicht werden. Dies reicht vom Schuldenschnitt, einem Debt-to-Equity-Swap bis hin zur Änderung von Eigentums-rechten (vgl. § 13 StaRUG).

Ausgangspunkt des StaRUG ist die Grundvariante, dass Unternehmen, das sich restrukturieren möchte, und seine Gläubiger, die sonstigen Beteiligten (wie z. B. Gesellschafter) auf Maßnahmen zur Sanierung und Restrukturierung einstimmig und ohne Hilfe / Beteiligung eines Gerichts einigen. Dies ist der – wohl eher selten vorkommende – Grundfall.

Um einen Restrukturierungsplan überhaupt zu ermöglichen und sodann zum Erfolg zu verhelfen, sieht das StaRUG in §§ 29 ff. sog. „Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens“ vor. Dies sind:

  • die Durchführung eines gerichtlichen Planabstimmungsverfahrens (gerichtliche Planabstimmung);
  • die gerichtliche Vorprüfung von Fragen, die für die Bestätigung des Restrukturierungsplans erheblich sind (Vorprüfung);
  •  die gerichtliche Anordnung von Regelungen zur Einschränkung von Maßnahmen der individuellen Rechtsdurchsetzung (Stabilisierung);
  • die gerichtliche Bestätigung eines Restrukturierungsplans (Planbestätigung).

In den §§ 45 ff. StaRUG werden dann diese gerichtlichen Unterstützungsinstrumente näher beschrieben. Beispielsweise können nach § 49 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG laufende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des zu restrukturierenden Unternehmens vorerst unterbunden werden (ähnlich wie im vorläufigen Insolvenzverfahren, § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).

Diese Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente erfolgen durch das neu eingeführte Restrukturierungsgericht. Dies ist im Regelfall im jeweiligen Oberlandesgericht, in dem das zu restrukturierende Unternehmen seinen Sitz hat, das Amtsgericht am Sitz des OLG.
Um die Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente in Anspruch nehmen zu können, ist das Restrukturierungsvorhaben gem. § 31 StaRUG beim Restrukturierungsgericht anzuzeigen.

Sollte während des außerinsolvenzlichen Sanierungsvorhabens das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet werden, muss dies nach § 42 StaRUG unverzüglich dem Restrukturierungsgericht angezeigt werden. Die Verletzung dieser Pflicht ist mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bedroht. Die rechtzeitige Anzeige im Sanierungsverfahren gilt als rechtzeitige Erfüllung der Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO.

In § 43 StaRUG ist ein für die Geschäftsführung bzw. den Vorstand eines Unternehmens wichtige Haftungsvorschrift enthalten. Die „Restrukturierungssache“ des zu restrukturierenden Unternehmens sollen die Geschäftsleiter „mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben und die Interessen der Gesamtheit der Gläubiger wahren“. Für die Verletzung dieser Pflicht sollen die Geschäftsleiter dem zu restrukturierenden Unternehmen in Höhe des den Gläubigern entstandenen Schadens haften, es sei denn die Geschäftsleiter haben die Pflichtverletzung nicht zu vertreten. Mit dieser Vorschrift ist ein neues, weites Feld für die Haftung von Geschäftsführern und Vorständen eröffnet. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren hierzu viele Gerichtsverfahren geführt werden. Es erscheint dringend an-geraten, sehr zeitnah sicherzustellen, dass sich der Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung auch auf diese neue Haftungsnorm erstreckt.

Weiter sieht das StaRUG das Amt eines Restrukturierungsbeauftragten vor. Dieser ist vom Restrukturierungsgericht zwingend von Amts wegen zu bestellen, wenn im Rahmen der Restrukturierung die Rechte von Verbrauchern oder kleinen und mittleren Unternehmen eingegriffen werden soll, was wohl die Regel sein wird. Ein Restrukturierungsbeauftragter kann auch auf An-trag des Unternehmens, das sich sanieren möchte, bestellt werden, um die Verhandlungen zwischen den Beteiligten zu fördern. Der Restrukturierungsbeauftragte erhält ein Honorar „auf der Grundlage angemessener Stundensätze“. Im Regelfall beläuft sich der Stundensatz gemäß § 81 Abs. 3 StaRUG auf bis zu € 350,00 und bei qualifizierten Mitarbeitern des Restrukturierungsbeauftragten auf bis zu € 200,00 pro Stunde.
Weiter ist in §§ 94 ff. StaRUG das Amt eines sogenannten „Sanierungsmoderators“ geregelt. Gemäß § 96 Abs. 1 StaRUG soll der Sanierungsmoderator zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern bei der Herbeiführung einer Lösung zur Überwindung der wirtschaftlichen oder finanziellen Schwierigkeiten vermitteln. Der Sanierungsmoderator wird auf Antrag durch das Restrukturierungsgericht bestellt. Die Vergütung richtet sich nach den Vorschriften für den Restrukturierungsbeauftragten.

Von einer noch breiteren Darstellung der Regelungen des StaRUG wird an dieser Stelle abgesehen, um den Rahmen eines Newsletters nicht zu überfrachten. Hervorgehoben werden soll noch, dass nach § 1 die Geschäftsführung des Unternehmens nunmehr ausdrücklich per Gesetz dazu verpflichtet ist, Maßnahmen zur Krisenfrüherkennung und zum Krisenmanagement zu ergreifen.
Abschließend auch noch die Anmerkung, dass in § 102 StaRUG nun auch noch gesetzlich ausdrücklich geregelt wird, dass Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte bei der Erstellung eines Jahresabschlusses den Mandanten auf das Vorliegen eines möglichen Insolvenzgrundes nach den §§ 17 bis 19 InsO und die sich daran anknüpfenden Pflichten (zum Beispiel Insolvenzantragspflicht) hinzuweisen haben, wenn entsprechende Anhaltspunkte offenkundig sind und angenommen werden muss, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.

 

3) Art. 5 SanInsFOG: „Änderung der Insolvenzordnung“

Durch das SanInsFOG wurden auch mehrere erhebliche Änderungen in der Insolvenzordnung vorgenommen. Um den Umfang des Newsletters nicht zu überfrachten, beschränken wir uns auf die folgenden Änderungen in §§ 15a, 15b, 19 InsO:
§ 15a Abs. 1 InsO lautet nunmehr wie folgt:

Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.“

Weiter gibt es nun einen neuen § 15b InsO „Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung; Verjährung“. In § 15b InsO sind nun die bisher in den verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Sondergesetzen, wie zum Beispiel § 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, enthaltenen Vorschriften für Zahlungen in der Krise des Unternehmens zusammengefasst und detaillierter ausgeführt. Letztlich wird dies die allgemeine Zentralnorm werden, mit der Insolvenzverwalter Geschäftsführer und Vorstände persönlich in Haftung nehmen werden. Hervorzuheben ist § 15b Abs. 3 InsO. In diesem wird eine gesetzliche Regelvermutung formuliert, dass ab dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes und der daran anknüpfenden Pflicht zur unverzüglichen Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzantrags, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung (§ 15a Abs. 1 S. 1, 2 InsO), von dem insolventen Unternehmen geleisteten Zahlungen nicht mit den Pflichten eines Geschäftsführers bzw. Vorstands zu vereinbaren sind. Nach § 15b Abs. 4 S. 1 InsO müssen

Geschäftsführer und Vorstände sämtliche Zahlungen des Unternehmens erstatten. In der Praxis werden sämtliche ausgehenden Zahlungen schlicht aufaddiert, sodass sich sehr schnell sehr hohe Summen ergeben.

In § 19 InsO „Überschuldung“ ist in Abs. 2 nunmehr geregelt, dass sich die Fortführungsprognose nur auf die nächsten zwölf Monate erstrecken muss. Bisher wurde davon ausgegangen, dass sich die Prognose auf das laufende und kommende Geschäftsjahr erstrecken muss, mithin auf bis zu 24 Monate. Durch diese Definition wird die Überschuldung stärker abgegrenzt von der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Für diese gilt eine Prognose von in der Regel 24 Monaten. Wenn Geschäftsführer oder Vorstände eine drohende Zahlungsunfähigkeit nicht erkennen oder nicht wirksam angehen, droht ihnen wiederum eine Haftung nach §§ 1, 43 StaRUG.

 

4) Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht

Mit dem vom Bundestag ebenfalls am 22.12.2020 beschlossenen Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens etc. wurde beschlossen, dass die „Wohlverhaltensphase“ mit der Abtretung des pfändbaren Teils des Gehalts etc. nur noch drei Jahre dauert statt bisher sechs.
Dies gilt rückwirkend ab dem 01.10.2020. Das heißt im Ergebnis, dass ein Verbraucherinsolvenzverfahren einschließlich Restschuldbefreiung künftig nur noch drei Jahre dauern wird.

 

5) Rückfragen und Anmerkungen

Sollten Sie konkrete Fragen rund um die Themen Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz-recht haben, stehen wir selbstverständlich jederzeit persönlich und per Video- oder Telefonkonferenz zur Verfügung.