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Pacht- und Mietverhältnisse in der Corona-Krise

Die Bundes- und Landesregierungen haben in den vergangenen Tage zur Bekämpfung des Corona-Virus eine Reihe an Gesetzen und Verordnungen im Eiltempo erlassen. Um die Verbreitung des Corona-Virus zu verlangsamen wurde das öffentliche Leben auf das Nötigste reduziert und einer Reihe von Betrieben erhebliche Einschränkungen oder gar die Schließung des Betriebes auferlegt.
Die behördlichen Maßnahmen stellen sowohl Mieter als auch Vermieter betroffener Einrichtungen und Betriebe vor erhebliche wirtschaftliche Herausforderungen, insbesondere solche von Ladenlokalen, Fitnessstudios, Gastronomiebetrieben oder Hotels. Viele gewerblichen Mieter und Vermieter stellen sich in diesen Zeiten aufgrund der behördlichen Betriebsschließungen daher die Frage, ob Miet- oder Pachtzahlungspflichten in den gewerblichen Mietverhältnissen angesichts der Corona-Krise fortbestehen. Die jeweiligen Mietverhältnisse dürften nur in besonderen Ausnahmefällen vertragliche Regelungen für eine solche Situation wie die aktuelle Corona-Pandemie vorsehen. In den meisten gewerblichen Mietverhältnissen dürfte die Rechtslage nicht eindeutig und einzelfallabhängig sein.
Wir möchten Ihnen kurz eine Übersicht über die rechtlichen Fragestellungen bei gewerblichen Mietverhältnissen geben:

 

1) Behördliche Beschränkungen des Betriebs / Mietmangel

Die behördlich angeordneten Maßnahmen führen zu teils erheblichen Einschränkungen oder gar Schließungen vieler Betriebe. Diese Einschränkungen stellen nach der bisherigen Rechtsprechung regelmäßig kein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietsache dar.
Die Maßnahmen haben nicht als Gegenstand das vermietete Gebäude, noch ist der Eigentümer / Vermieter Adressat der Anordnungen. Vielmehr richten sich die Maßnahmen gegen die Mieter als Betreiber des Betriebes.
Zwar hat das Reichsgericht in seinem Urteil vom 09.11.1915 eine Mietminderung für den Fall bejaht, in dem einem Tanzlokal aufgrund einer polizeilichen Untersagung die Durchführung von Tanzveranstaltungen verboten wurde. Inwiefern der damalige Fall auf die jetzige Nutzungsuntersagung übertragen werden kann, ist pauschal nicht zu beantworten, sondern vielmehr im jeweiligen Einzelfall zu prüfen. Eine Anwendbarkeit hängt maßgeblich auch von der jeweiligen Ausgestaltung des Mietvertrages ab, insbesondere dann, wenn dieser, wie auch immer geartet, Regelungen zur Risikoverteilung enthält.
Ob ein Gewerbemietvertrag wegen der Corona-Pandemie gemindert oder angepasst werden kann, ist letztlich wiederum von den Umständen des Einzelfalls und unter Umständen auch von der Vertragshistorie abhängig.
Nahezu ausschließlich weisen gewerbliche Mietverträge betriebsbezogene Risiken und Einschränkungen dem Mieter zu. Im Gegenzug obliegt es dem Vermieter, die Sicherstellung der baulichen Zulässigkeit des vermieteten Objektes zu gewährleisten. Entsprechend ging die Rechtsprechung bisher davon aus, dass bei öffentlich-rechtliche Beschränkungen des Betriebes diese grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen und nicht zu einem Mietmangel führen.
Ebenso dürfte aus denselben Gründen in der aktuellen Corona-Situation auch kein sog. Umfeldmangel gegeben sein. Eine Mietminderung in Folge von Umfeldmängeln kommt nur dann in Betracht, wenn der Umfeldmangel bei Vertragsschluss für den Vermieter vorhersehbar war. Derzeit sind keine Fälle denkbar, in denen die Vertragsparteien ernstlich mit einer derartigen Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen gerechnet haben dürften.

 

2) Risikoverteilung

Aufgrund der in den meisten gewerblichen Mietverträgen sehr ausführlich geregelten Mietzwecke könnte sich für die gewerblichen Mieter die Möglichkeit einer Mietminderung ergeben.
In den seltensten Fällen vermieten Vermieter nur die Mieträume ohne weitere Regelungen zum Nutzungszweck. In den überwiegenden Fällen dürfte der Mietvertrag sehr detailliert den beabsichtigten Miet- und Nutzungszweck beschreiben und festlegen. Mit dieser vertraglichen Regelung verpflichtet sich einerseits der gewerbliche Mieter, die Mietsache nicht über den vereinbarten Zweck hinaus zu nutzen und andererseits verpflichtet sich aber auch der Vermieter, dem Mieter ein Mietobjekt zu überlassen, das für die vereinbarte Nutzung geeignet ist.
Kann aufgrund der behördlichen Maßnahmen der Mietzweck, beispielsweise die Nutzung als Hotel, Einzelhandelsgeschäft oder Fitnessstudio, infolge einer behördlichen Anordnung, nicht mehr erreicht werden, könnte hierin eine (vorübergehende) Unmöglichkeit der vermieterseitig geschuldeten Überlassung zu dem vereinbarten Mietzweck zu sehen sein. Die sich daraus ergebende gesetzliche Rechtsfolge wäre, dass der gewerbliche Mieter von der Zahlung der Mietzinsen (Gegenleistung) befreit wäre.
Die Vermieterseite könnte dagegen argumentieren, dass eine Vermietung z.B. als Einzelhandelsgeschäft weiter möglich ist und der Mieter daher entsprechend weiter zu seinen Mietzahlungen verpflichtet ist. Die Weitervermietung wäre jedoch nur auf wenige systemrelevante Branchen wie etwa Lebensmitteleinzelhandel beschränkt. Sollte der Mietvertrag jedoch einen besonderen und damit konkreten Mietzweck vorsehen, wie etwa die Vermietung eines Hotels, Fitnessstudios oder die Verpachtung einer Gaststätte, dürfte das Argument der möglichen Weitervermietung nichts durchgreifen.
Darüber hinaus dürfte eine Verlagerung des Erfüllungshindernisses allein in die Risikosphäre des gewerblichen Mieters auch deshalb fehlgehen, weil es sich bei den aktuellen behördlichen Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie nicht um ein Hindernis aus dem speziellen Betrieb des gewerblichen Mieters handelt, sondern die jeweiligen Mietflächen im Allgemeinen nicht mehr für den Einzelhandel, außer den systemrelevanten, genutzt werden können. Für die Dauer der behördlichen Maßnahmen können vielmehr die Mietobjekte weder von anderen Mietern noch dem Vermieter selbst in einer vertragsgemäßen Weise genutzt werden.

 

3) Störung der Geschäftsgrundlage

Wegen den diversen behördlichen Maßnahmen und Verboten als Folge der Corona-Krise, ist es aus den oben bereits angesprochenen Gründen außerdem denkbar, dass im Einzelfall eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) vorliegt. Bisher sah die höchstrichterliche Rechtsprechung Störungen in der Geschäftsgrundlage als gegeben an, wenn z.B. Geschäftsmöglichkeiten in Folge von Embargos oder kriegsähnlichen Zuständen oder sonstigen Ereignissen weggefallen sind, die für die Parteien nicht vorherzusehen waren.
Aufgrund der Aktualität der Corona-Krise existieren diesbezüglich noch keine gerichtlichen Entscheidungen. Wegen der bis zum heutigen Tage weitreichenden Ausmaße der Krise auf der ganzen Welt sowie ihrer dynamischen Entwicklung könnte einiges dafür sprechen, die Corona-Pandemie mitsamt ihrer behördlichen Maßnahmen und deren Auswirkungen in die oben angesprochene Kategorie einzuordnen.
Die möglichen Rechtsfolgen einer Störung der Geschäftsgrundlage reichen von einer Vertragsanpassung (Reduzierung der Miete) bis zu einer Vertragsaufhebung. Letzterer Fall dürfte im Falle eines nahen Vertragsendes oder bei einer länger andauernden Krise infrage kommen.
Inwiefern ein Gewerberaummietvertrag angepasst oder gekündigt werden kann, hängt letztlich auch hier wiederum von den Umständen des Einzelfalls sowie der möglichen Vertragshistorie ab.

 

4) Weiteres Vorgehen

Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen dürfte nach rechtlicher Prüfung der jeweiligen Vertragsunterlagen angeraten sein, dass mit dem jeweiligen Vertragspartner ein offener Dialog gesucht wird und vor dem Hintergrund der offenen Fragen ein Vergleich angestrebt wird.
Zum einen ist eine einvernehmliche Mietreduzierung oder Stundungsvereinbarung oder eine Kombination als Lösungsmöglichkeit denkbar.
Soweit Sie weitere konkrete Rechtsberatung zu den rechtlichen Fragestellungen eines gewerblichen Mietverhältnisses in der Corona-Krise benötigen, stehen wir Ihnen jederzeit zur Verfügung.