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Allgemeine Informationen in der Corona-Krise

Im Rahmen dieses Newsletters möchten wir Sie kurz über aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem
Erstattungsanspruch für Arbeitgeber nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)
informieren.

1) Wie wir in unseren früheren Newslettern bereits ausgeführt haben, können die zuständigen Behörden nach § 30 IfSG anordnen, dass bestimmte Personen bei einem bestehen-den Krankheitsverdacht unter Quarantäne gestellt werden. In einem solchen Fall hat der Arbeitgeber gemäß § 56 IfSG den Verdienstausfall für die maximale Dauer von 6 Wochen zunächst weiter zu zahlen. Das Infektionsschutzgesetz sieht für den Arbeitgeber in § 56 Abs. 5 Satz 2 unter bestimmten Voraussetzungen einen möglichen Erstattungsanspruch vor:

„Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die aus-gezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde er-stattet. Im Übrigen wird die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.“

Zwischenzeitlich wurden die ersten Erstattungsansprüche nach § 56 IfSG bei den zuständigen Behörden gestellt und von diesen bearbeitet.

Nach den ersten Fällen kristallisiert sich heraus, dass die zuständigen Behörden (z.B. Regierungspräsidien) einen Erstattungsanspruch nach § 56 IfSG nur annehmen, wenn neben den in § 56 IfSG normierten Voraussetzungen zudem für den Arbeitnehmer ein Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB arbeitsvertraglich oder tarifvertraglich ausgeschlossen ist.

2) Die Behörden halten den Erstattungsanspruch aus § 56 IfSG gegenüber dem Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB für subsidiär.

Die Behörden berufen sich hierbei auf ein über 40 Jahre altes Urteil des Bundesgerichtshofes, welches zum Vorgänger des Infektionsschutzgesetzes, dem Bundesseuchenschutzgesetz im Jahr 1978 ergangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.1978, Az. III ZR 43/77).
Die Behörden legen damit die Voraussetzungen der Erstattungsansprüche auch während der Corona-Krise eng aus und ziehen hierfür Erkenntnisse aus der bisherigen Rechtsprechung und Literatur bezüglich vergleichbarer Sachverhalte heran.

Eine mit der aktuellen Corona-Pandemie vergleichbare Situation hat es jedoch bisher noch nicht gegeben. Die von den Behörden vertretene Rechtsauffassung ist daher keineswegs gesichert.

In der juristischen Literatur wird der Ausschluss des Erstattungsanspruches gemäß § 56 IfSG durch einen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 616 BGB angeregt diskutiert. So werden teilweise in der Literatur die Voraussetzungen des § 616 BGB für den Fall einer behördlichen Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder einer Quarantäne verneint.
Keinen Anwendungsfall des § 616 BGB dürfte nach Meinung der Literatur darstellen, wenn ein Beschäftigungsverbot für die Mitarbeiter eines Unternehmens in ihrer Gesamtheit erlassen wurde. In diesem Fall läge kein individuell in der Person liegendes Leistungshindernis im Sinne von § 616 BGB vor, sondern ein objektives Leistungshindernis.

Darüber hinaus wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass auch im Falle einer einzelnen angeordneten Quarantäne wegen Krankheits- oder Ansteckungsverdacht bei einer Quarantäne von 2 Wochen die Anwendbarkeit von § 616 BGB ausgeschlossen ist. Anders als der Bundesgerichtshof im Jahr 1978 geht die aktuelle juristische Literatur zur Corona-Krise davon aus, dass eine angeordnete Quarantäne-Dauer von 2 Wochen keine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit mehr darstellt.

Bezüglich des Tatbestandsmerkmals „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ist bislang keine Klarheit durch höchstrichterliche Rechtsprechung erzielt worden. Nach der bisher herrschenden Meinung ist im Einzelfall zu entscheiden und als Kriterium das Verhältnis der Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses zur Dauer der Verhinderungszeit heran-zuziehen.
Danach erfasst die Vorschrift des § 616 BGB grundsätzlich nur Minimal-Zeiträume von wenigen Tagen, die ein umsichtiger Dienstgeber ohnehin einkalkulieren muss. In der Rechtsprechung wird daher in anderen Situationen (z.B. kurzfristig erforderliche Pflege oder Betreuung in der Familie) bisher als Verhältnismäßigkeitsgrenze von etwa 10 Tagen ausgegangen. In Anlehnung an § 2 Abs. 1 Pflegezeitgesetz wird dem Arbeitnehmer das Recht eingeräumt, für 10 Tage der Arbeit fernzubleiben, um in einer akut aufgetretenen Pflegesituation die Pflege zu organisieren und selbst sicherzustellen.

Die derzeitige juristische Literatur geht deshalb zumeist davon aus, dass eine Quarantänedauer von 2 Wochen und mehr erheblich im Sinne von § 616 BGB ist, der Arbeitgeber in diesem Fall also gar keine Vergütung fortzahlen muss und deshalb ein Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG besteht.

Insbesondere wird in der juristischen Literatur eine sog. Bestimmung der Verhältnismäßigkeitsgrenze, wie im Urteil aus dem Jahr 1978, durch Vergleich mit der im Krankheitsfall viel längeren Entgeltfortzahlungsfrist von 6 Wochen abgelehnt. Die Regelungen im Entgeltfortzahlungsgesetz durchbrechen, anders als § 616 BGB, die allgemeinen Prinzipien des Schuldrechts zu Lasten des Arbeitgebers für Zwecke des Sozialstaats, um insbesondere die Krankenkassen zu entlasten. Außerdem spreche gegen eine Übertragung der 6-Wochen-Frist auf § 616 BGB, dass es bei § 61 BGB kein Ausgleichsverfahren gibt (U1-Verfahren nach § 1 AAG i.V.m. § 3 Abs. 1 EFZG).

Wie bereits erwähnt, existieren aufgrund der Aktualität der Corona-Krise noch keine gerichtlichen und erst recht keine höchstrichterlichen Entscheidungen diesbezüglich. Allgemeingültige Aussagen bezüglich einer Subsidiarität von § 56 IfSG gegenüber § 616 BGB lassen sich aufgrund der Umstände der Einzelfälle und des Fehlen vergleichbarer Entscheidungen derzeit kaum verbindlich treffen.

3) Aufgrund der laufenden Diskussion in der juristischen Literatur bezüglich der Anwendbarkeit von § 616 BGB und der zu erwartenden gerichtlichen Überprüfung der behördlichen Rechtsansichten, könnte es angeraten sein, die Ablehnung eines Erstattungsanspruches durch die zuständigen Behörden, wenn sich die Ablehnung nur auf § 616 BGB stützt, nicht schlichtweg hinzunehmen und gegen den ablehnenden Bescheid vorzugehen.

Dieser Newsletter stellt keine Rechtsberatung dar, sondern soll lediglich einen ersten Über-blick vermitteln.

Soweit Sie weitere konkrete Rechtsberatung zu der rechtlichen Fragestellung des Bestehens des Erstattungsanspruches gemäß § 56 IfSG benötigen, stehen wir Ihnen jederzeit sehr gerne zur Verfügung.

Wir werden Sie mit weiteren Newslettern zu den rechtlichen Aspekten der Corona-Krise in-formiert halten.