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Änderung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Gewerbemietrecht Verlängerung Aussetzung Insolvenzantragspflicht

Seit Beginn der Corona-Pandemie und damit einhergehender behördlicher Maßnahmen, die zu Schließungen im Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie sowie weiteren Branchen führten, beschäftigen sich Mieter, Vermieter, Justiz und Politik mit den daraus resultierenden Folgen. Ein Streitpunkt sind seit Beginn die Auswirkungen der eingeschränkten Nutzbarkeit von Miet- und Pachtobjekten auf den geschuldeten Mietzins. Im Nachfolgenden möchten wir Ihnen ein kurzes Update zu den neuesten Gesetzesänderungen der Bundesregierung zum Wegfall der Geschäftsgrundlage im Gewerbemietrecht geben, wie auch zur neuerlichen Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht.

 

1) Vermutung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Gewerbemietrecht durch Corona-Lockdown

Der Gesetzgeber hat am 17.12.2020 beschlossen, dass für Gewerbemiet- und -pachtverhältnisse, die von staatlichen Corona-Maßnahmen betroffen sind, gesetzlich vermutet wird, dass erhebliche (Nutzungs-)Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) darstellen können.

a) Bisherige Rechtsprechung
Aufgrund der Aktualität der Corona-Krise existierten bisher nur wenige gerichtliche Entscheidungen hinsichtlich der Mietzahlungspflicht während pandemiebedingter Beschränkungen.
Die bisherigen erstinstanzlichen Entscheidungen hatten in den jeweils zu beurteilenden Fällen über-wiegend entschieden, dass die Mietzahlungspflichten bei staatlich angeordneten Schließungen im Ergebnis weiterhin voll bestehen bleiben.
In vereinzelten Fällen wurde aber auch bereits eine Mietreduktion aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB angenommen und entschieden, dass die unveränderte Mietzahlungspflicht dem Mieter nicht zugemutet werden konnte. Derartige Entscheidungen waren jedoch bis-her eher die Ausnahme.

b) Vermutung durch Gesetzesänderung
Der Gesetzgeber ist der bisherigen Tendenz in der Rechtsprechung entgegengetreten und hat am 17.12.2020 zwei wesentliche Regelungen zur Mietanpassung für Gewerberaummieter aufgrund Beeinträchtigungen durch behördliche Corona-Maßnahmen im Rahmen des Gesetzes zur Anpassung der Restschuldbefreiung auf den Weg gebracht.
Zum einen wurde im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) eingefügt:

„Art. 240 § 7 EGBGB Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind Vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht o-der nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Um-stand im Sinne des § 313 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Abs. 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.“

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber als zweite Regelung für die Mietstreitigkeiten einen beschleunigten Gerichtsprozess angeordnet. Hierfür ist in § 44 des Einführungsgesetzes zur Zivilprozessordnung (EGZPO) eine neue Regelung getroffen worden.

Die gesetzliche Regelung im EGZPO lautet:
„§ 44 EGZPO Vorrang- und Beschleunigungsgebot

(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen stattlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.

(2) In Verfahren nach Abs. 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden:“

Im Rahmen des § 313 BGB wird durch die neue gesetzliche Regelung im EGBGB vermutet, dass sich mit den Auswirkungen der behördlichen Pandemie-Maßnahmen ein Umstand wesentlich geändert hat, der zur Grundlage des Mietverhältnisses geworden ist. Die neu eingeführte Vermutungsregelung umfasst damit das erste Element des § 313 BGB (Änderung wesentlicher Umstände).

Die weiteren Elemente „Abweichende Regelung bei Kenntnis der Parteien“ und „Unzumutbarkeit für eine der Parteien am Vertrag festzuhalten“ bleiben von der gesetzlichen Vermutung unberührt und sind weiterhin im Einzelfall vom Mieter darzulegen und zu beweisen.

Ebenfalls bleibt die Rechtsfolge einer gestörten Geschäftsgrundlage nach der Änderung der gesetzlichen Regelungen offen. Die Ausgestaltung der Anpassung, sei es über eine Mietminderung, eine Stundung oder sonstige Maßnahmen, ist weiterhin einzelfallabhängig und den Parteien überlassen.

Aufgrund der eindeutigen Regelungen erstreckt sich die Anwendbarkeit des § 313 BGB auf alle Gewerbe-, Raum- und Grundstücksmietverhältnisse mit Ausnahme von Wohnraum. Es werden auch ausdrücklich alle Pachtverhältnisse erfasst.

Die allgemeinen gesetzlichen Anpassungsmöglichkeiten, insbesondere infolge einer Störung der Geschäftsgrundlage oder einer Mietminderung, sind grundsätzlich für den Zeitraum ab April 2020 anwendbar, sofern und soweit in diesem Zeitraum öffentlich angeordnete Nutzungsbeschränkungen bestanden.

c) Auswirkungen auf das Mietrecht

Mit den neuerlichen Änderungen hat der Gesetzgeber eine abschließende oder gar pauschale Regelung der Auswirkungen auf die Gewerberaummietverhältnisse nicht bewirkt. Es wurde auch kein Risiko gesetzlich einer Partei zugeordnet.
Mit den Gesetzesänderungen wurde kein gesetzliches Minderungsrecht festgelegt, jedoch die Verhandlungsposition der Gewerberaummieter gestärkt. Die teilweise bestehenden Unsicherheiten wurden beseitigt, ohne die Kernelemente der in § 313 BGB geregelten Störung der Geschäftsgrundlage und der allgemeinen mietrechtlichen Regelungen anzutasten. Weiterhin ist anhand des konkreten Einzelfalles über eine Anpassung der Mietzinszahlungspflichten zu entscheiden. Dem Mieter wird im Rahmen der Interessenabwägung weiterhin eine nicht unerhebliche Darlegungslast aufgebürdet. Er muss insbesondere die Unzumutbarkeit einer unveränderten Beibehaltung des Mietvertrages durch (erhebliche) Umsatzeinbußen und eine fehlende Kompensation, z.B. durch staatliche Maßnahmen, darlegen.

Außerdem bleibt abzuwarten, inwieweit das deutsche Justizsystem die vom Gesetzgeber angeordnete Beschleunigung der Verfahren in der Praxis umsetzen kann und damit im Streitfall schneller Einigungen zwischen den Mietparteien gefunden werden können.

Aufgrund der derzeitigen Tendenz, Verhandlungstermine mit physischer Anwesenheit der Parteien heraus zu zögern, bleib es abzuwarten, inwiefern die Beschleunigung funktioniert.

In jedem Fall sollte beim Abschluss von neuen Mietverträgen zukünftig darauf geachtet werden, dass Regelungen, wie im Pandemiefall mit den Pflichten aus dem Mietverhältnis umzugehen ist, enthalten sind. Bei Abschluss von Neuverträgen ist den Parteien inzwischen das Risiko einer Pandemie bewusst und die Folgen sind daher entsprechend zu regeln. Anderenfalls könnte es dem Mieter verwehrt sein, sich auf die nun gesetzlich normierte Vermutung einer Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen.

2) Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a Abs. 1 InsO) bis 31.01.2021

Förmlich in letzter Minute hat die Bundesregierung die seit März 2020 bestehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zur Vermeidung „unnötiger“ Insolvenzen, die an sich zum Jahresende (31.12.2020) enden sollte, neuerlich verlängert, und zwar diesmal bis zum 31.01.2021.

Mit der erneuten Verlängerung der Aussetzung soll insbesondere verhindert werden, dass Firmen eine Insolvenz beantragen müssen, weil die November- und Dezemberhilfen wegen des Wellbrecher-Lockdowns bis auf die Abschlagszahlungen wegen eines Softwareproblems verspätet ausbezahlt werden.

Ein Ende der pandemiebedingten Einschränkungen der Wirtschaft ist zurzeit nicht absehbar. Ohne wesentliche Lockerung der Beschränkungen dürfte mit einer erneuten Verlängerung der Aussetzung über den 31.01.2021 hinaus zu rechnen sein. Inwieweit dies erfolgen wird, bleibt abzuwarten.

3) Weiteres Vorgehen

Sollten Sie weitere konkrete Fragen hinsichtlich der Mietzahlungspflichten während der Corona-Pandemie oder bezüglich der verlängerten Aussetzung der Insolvenzantragspflicht haben, stehen wir weiterhin jederzeit persönlich und telefonisch zur Verfügung.

Mit weiteren Newslettern zu den rechtlichen Aspekten der Corona-Krise werden wir Sie informiert halten.